Den eigenen Vorgesetzten beeinflussen, bevor er kurzsichtige Entscheidungen trifft – oder noch schlimmer: gar keine? Das geht durchaus und kann für alle Beteiligten nützlich sein – wenn Sie an der richtigen Stelle ansetzen. Wichtig dabei: Agieren Sie subtil und fallen Sie denjenigen, die in der Unternehmenshierarchie über Ihnen stehen, nicht offensichtlich in den Rücken.

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Cheffing: Wenn Mitarbeiter heimlich die Fäden in der Hand halten

Wenn Mitarbeiter oder Führungskräfte im mittleren Management mehr oder weniger subtil Einfluss auf Entscheidungen ihres jeweiligen Vorgesetzten nehmen, spricht man von Cheffing. Kleine Schwächen und Eigenarten des oder der Vorgesetzten werden gezielt genutzt, um ihn oder sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. 

Sie denken, das würden Entscheider auf den oberen Hierarchieebenen in Ihrem Unternehmen niemals mit sich machen lassen? Ob und wie es gelingen kann, Vorgesetzte zu beeinflussen, kommt natürlich auf die betrieblichen Strukturen und die persönlichen Eigenschaften der Beteiligten an. Bei einem Vorgesetzten, der von vornherein auf flache Hierarchien setzt und seine Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligt, ist es meist gar nicht nötig, von unten heimlich die Fäden in die Hand zu nehmen.

Wenn Cheffing gelingt, muss das nicht zwingend heißen, dass der Vorgesetzte unfähig ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen und nicht ernst genommen wird. Häufig geht darum, dass beispielsweise Führungskräfte aus dem mittleren Management interne Hierarchien dazu nutzen, ihren Ideen und Vorstellungen die nötige Aufmerksamkeit in den oberen Reihen zu verschaffen oder für ein Problembewusstsein zu sorgen. Denn schließlich sind sie oftmals viel näher am betrieblichen Geschehen als die Geschäftsführung, haben aber nicht die Befugnis, für ihren Bereich wichtige Entscheidungen selbst zu treffen. Deshalb kann Führung nach oben sogar von Vorteil für das Unternehmen sein – mehr dazu weiter unten. 

Natürlich haben nicht alle Mitarbeiter, die ihren Chef beeinflussen wollen, ausschließlich hehre Ziele. Manchmal geht es schlicht darum, Vorteile zu erlangen, ohne den Vorgesetzten gleich absetzen und selbst seine Stelle einnehmen zu wollen. Oder auch darum, ihm lästige Eigenschaften abzugewöhnen, die den Arbeitsalltag erschweren. 

Führungsschwäche des Chefs fordert ambitionierte Mitarbeiter heraus

Viele Vorgesetzte laden durch ihr Verhalten nämlich geradezu dazu ein, die bestehende Hierarchie infrage zu stellen und das Ruder in die Hand zu nehmen. 

Da wäre zum Beispiel der Chef, der nicht delegieren kann und am liebsten alle Fäden selbst in der Hand hält. Während er die Leitung innehat und alle strategischen Entscheidungen trifft, kommen bei seinen Mitarbeitern nur Einzelaufträge an. Oft müssen sie sogar aktiv nachfragen, was nun zu tun ist. Dabei sind sie ebenfalls erfahrene Fach- oder sogar Führungskräfte. Sie könnten also durchaus mehr Verantwortung übernehmen und wollen das in vielen Fällen auch. Blockt der Chef ab, führt das zu Frust und verleitet zu Alleingängen.

Damit eng verwandt: Die Vorgesetzte, die zu wenig kommuniziert. Nur sie hat den Überblick über das große Ganze, ihre Mitarbeiter erhalten nur tröpfchenweise Informationen und müssen sich den Rest zusammenreimen. Wie lauten die Unternehmensziele, worauf soll die Abteilung hinarbeiten? Das behält die Chefin für sich. Feedback für ihre Arbeitsleistung können die Mitarbeiter von ihr oft ebenso wenig erwarten.

Dazu kommen charakterlich schwierige Chefs – etwa Choleriker und Sprunghafte, die von ihren einmal getroffenen Entscheidungen am nächsten Tag nichts mehr wissen wollen – und solche, die offenbar mit der Führungsrolle überfordert oder schlecht organisiert sind. Alles unangenehme Eigenschaften, die so mancher Mitarbeiter lieber heute als morgen loswerden würde. 

Wie beeinflusse ich die Entscheidungen meines Vorgesetzten geschickt?

Doch über eines sollten Sie sich im Klaren sein: Sie werden Ihren Vorgesetzten auch durch noch so geschicktes Cheffing nicht zu einem anderen Menschen machen. Seine Schwächen und Eigenarten müssen Sie akzeptieren, ebenso wie seine Position als Vorgesetzter. Aber Sie können Wege finden, besser mit ihm umzugehen und die Situation im Unternehmen zu Ihren Gunsten zu wenden. 

Ausgangspunkt: Beobachten Sie Ihren Vorgesetzten und versuchen Sie, sich in ihn hineinzudenken. Welche Aufgaben hat er genau, wem ist er unterstellt, welche Konflikte muss er vielleicht bewältigen, warum agiert er so oder so? Dabei kann es hilfreich sein, sich die Reportinglinien innerhalb der Unternehmensleitung vor Augen zu führen und alle Akteure zueinander in Beziehung zu setzen.

Um den Vorgesetzten nicht auf dem falschen Fuß zu erwischen, sollten Sie auch seine Gewohnheiten studieren – etwa Arbeits- und Pausenzeiten und bevorzugte Wege der Kommunikation. Ein Chef, der gern alles direkt bespricht, wird auf eine lange E-Mail wenig begeistert reagieren. 

Wichtig bei allen Versuchen, den Vorgesetzten zu beeinflussen: Gehen Sie subtil vor, nicht mit dem Holzhammer. Spontane und wütende Kritik, “Dienst nach Vorschrift” oder die Krankmeldung aus Resignation sind selten zielführend. 

Präsentieren Sie sich als verständnisvoller Verbündeter. Wenn der Vorgesetzte mal etwas Persönliches erzählt, sollten Sie sich das ruhig merken und bei passender Gelegenheit daran anknüpfen: “Hat denn Ihr Sohn inzwischen einen Studienplatz gefunden?” Aber übertreiben Sie es nicht mit der Verbrüderung – das wirkt schnell durchsichtig. 

Möchten Sie ein Anliegen vortragen, dann sollten Sie es dem Chef so bequem wie möglich machen. Suchen Sie einen günstigen Zeitpunkt aus, zu dem der Vorgesetzte gerade nicht gestresst ist, schlechte Laune hat oder ein wichtiger Termin ansteht. Vereinbaren Sie einen Termin und sprechen Sie ihn nicht zwischen Tür und Angel an. Das betont die Relevanz Ihres Anliegens. 

Vor allem bei Chefs, die sehr von sich überzeugt scheinen, empfiehlt sich im Gespräch manchmal die Spiegeltechnik. Dabei passen Sie sich in Wortwahl, Sprechweise, Mimik und Gestik Ihrem Gegenüber ein Stück weit an. Gemeinsamkeiten wirken bestätigend, vertrauensbildend und schaffen eine positive Gesprächsatmosphäre. Aber Vorsicht: Werden Sie nicht zu einer schlechten Karikatur Ihres Vorgesetzten. 

Ihr Vorgesetzter ist ein Zauderer und schiebt Entscheidungen auf die lange Bank? Bleiben Sie dran und hoffen Sie nicht darauf, dass er die einmal geäußerte Bitte schon erfüllen wird. Höfliches Nachhaken ist in Ordnung. Wichtiges Gebot: Seien Sie selbst verlässlich, dann haben Sie eine gute Basis, um das auch vom Vorgesetzten einzufordern. 

Auch wenn Sie Ihren Chef für führungsschwach halten: Respektieren Sie seine Rolle als Vorgesetzter und umgehen Sie ihn nicht, um etwa direkt mit der nächsthöheren Hierarchieebene zusammenzuarbeiten, weil das für Sie bequemer ist. Wird die Autorität derart untergraben, reagiert niemand begeistert. Konstruktive Vorschläge gehen immer direkt an den Vorgesetzten. Ihre Argumentation sollte klar herausstellen, welche Vorteile der Chef selbst und die Abteilung davon haben.

Finden Sie für sich die Rolle eines loyalen Beraters, der die (vor allem für Sie selbst) wichtigen Daten und Fakten immer parat hat. So können Sie vor allem Vorgesetzte beeinflussen, die selbst nicht besonders gut organisiert sind. Das erfordert natürlich gute Vorbereitung. 

Warum Cheffing das Unternehmen in der Krise voranbringen kann

Wer hat nun eigentlich Vorteile vom Cheffing: Sie, Ihr Vorgesetzter oder das gesamte Unternehmen? Im besten Fall: alle. Wenn Mitarbeiter Eigeninitiative ergreifen, kann das gerade in Zeiten des Wandels von Nutzen für das gesamte Unternehmen sein – Stichwort Change-Management

In der sich seit Beginn der Corona-Pandemie rasant wandelnden Arbeitswelt müssen sich Manager ebenso wie Führungskräfte auf den unteren Hierarchieebenen daran gewöhnen, ihren Mitarbeitern zu vertrauen und ihnen ein Stück weit freie Hand zu lassen. Und das nicht nur, weil viele Unternehmen remote arbeiten und sich die Mitarbeiter somit automatisch stärker selbst organisieren müssen. Die Lage ist komplex – und jeder im Unternehmen ist nur menschlich. Kein Vorgesetzter, auch nicht die Geschäftsleitung, hat für jede Situation sofort den perfekten Plan in der Schublade. Vielleicht aber eine ambitionierte Führungskraft im mittleren Management, die nur auf die Chance wartet, einen wirklich guten Lösungsansatz bei der Unternehmensführung zu Gehör zu bringen.

Vor diesem Hintergrund können auch flexible Führungsmodelle entstehen - und damit vielleicht die Chance für motivierte Mitarbeiter, endlich mehr selbst entscheiden zu können. 

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