Während im Zuge der Corona-Pandemie in vielen Bereichen neue, flexiblere Arbeitsmodelle möglich werden, wird das Jobsharing auf Führungsebene derzeit sehr kritisch betrachtet. Ist geteilte Führung in Krisenzeiten, die schnelles Handeln erfordern, noch praktikabel? Eine aktuelle Umfrage fördert interessante Erkenntnisse zutage.

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Corona-Pandemie – Chance oder Todesstoß für innovative Arbeitsmodelle?

Gerade erst hatten sich manche Arbeitgeber für innovative Arbeitszeitmodelle wie Jobsharing auch auf Führungsebene, das sogenannte Topsharing, geöffnet. Und dann brach die Corona-Pandemie über die Wirtschaft hinein und stellte Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen. Agiles Handeln und schnelle Entscheidungen waren gefragt. Mit geteilten Führungspositionen sei das nicht zu bewerkstelligen. So begründete zumindest der Technologiekonzern SAP, einstiges Vorzeigebeispiel in Sachen Topsharing, seine Abkehr von der Doppelspitze auf dem CEO-Posten. Zu groß sei der Abstimmungsaufwand.

Bedeutet dies das Ende für Führungstandems? Gerade jetzt, wo im Fahrwasser der Pandemie allenthalben neue Arbeitsmodelle diskutiert werden? Home-Office und flexiblere Zeiteinteilung auch außerhalb der üblichen Bürozeiten haben sich als krisengeeignete Lösungen herausgestellt und werden in vielen Unternehmen künftig zum Arbeitsalltag gehören. Vielleicht ist jetzt sogar genau der richtige Zeitpunkt, um über die Einführung von geteilter Führung nachzudenken? Schließlich ist die Vereinbarkeit von Job und Familie derzeit eines der großen Themen. Jobsharing kann das ermöglichen – auch auf Führungsebene.

Begriffsklärung: Sharing, Pairing, Splitting, Tandem

Jobsharing ist unbestreitbar ein wichtiges HR-Instrument, um Mitarbeitern flexible Arbeitsmodelle zu ermöglichen und kann weit über klassische Teilzeitlösungen hinausgehen. “Echte” Jobsharer arbeiten nicht einfach mit reduzierter Stundenzahl, sie teilen sich tatsächlich Aufgaben und Verantwortung einer Position. Beim Jobsharing wird zwischen verschiedenen Formen unterschieden:

  • Job-Splitting meint lediglich das Aufspalten einer Vollzeitstelle in mehrere Teilzeitstellen. Alle Teilzeitkräfte übernehmen unabhängig voneinander eigene Tätigkeiten, es wird nicht gemeinsam an Aufgaben gearbeitet. Dieses Modell eignet sich nur für weniger komplexe Positionen.
  • Job-Pairing ist das, was gemeinhin unter echtem Jobsharing verstanden wird: Zwei Mitarbeiter teilen sich tatsächlich eine Position – mit allen Konsequenzen: Sie übernehmen gemeinsam Verantwortung und auch Entscheidungen treffen sie gemeinschaftlich. Das erfordert ein hohes Maß an Abstimmung. Beide Beteiligten müssen immer auf demselben Wissensstand sein.
  • Topsharing meint Job-Pairing auf Führungsebene, auf deutsch auch Führungstandem genannt. Zwei oder mehr gleichberechtigte Partner teilen sich eine Führungsposition und verantworten Entscheidungen gemeinsam.

Sharing bedeutet nicht zwangsläufig eine Aufteilung in zwei gleiche Hälften. Andere Verteilungen sind möglich, dennoch bleiben Partner bei Entscheidungen gleichberechtigt und treffen sie gemeinsam.

Vor- und Nachteile von Jobsharing

Entgegen der immer noch verbreiteten Ansicht bietet Jobsharing nicht nur Arbeitnehmern Vorteile. Wenn sie es richtig angehen, profitiert auch die Arbeitgeberseite:

  • Unternehmen können erfahrene Führungskräfte halten, die mehr Zeit für ihr Privatleben möchten.
  • Die Doppelbesetzung sorgt für einen höheren Wissensgewinn und -transfer, außerdem droht geringer Wissensverlust bei Abwanderung.
  • Reibungslose Vertretung bei Abwesenheiten ist gewährleistet.
  • Komplexe Positionen können mit den gebündelten Skills von zwei Mitarbeitern mit unterschiedlicher Ausrichtung anforderungsgerechter besetzt werden.
  • Oftmals winkt eine höhere Produktivität, da Teilzeitkräfte ihre reduzierte Arbeitszeit häufig effizienter nutzen.
  • Bedarfsgerechte Besetzungen von Positionen mit mehr als 100 % sind möglich, indem beispielsweise beide Jobsharer eine 60-%-Stelle übernehmen.

Natürlich sind mit dem Modell auch Herausforderungen verbunden: 

  • Die Chemie zwischen den Sharing-Partnern muss stimmen, insbesondere wenn es um eine geteilte Führungsposition geht. Sie müssen die gleichen Werte teilen und einander vertrauen. Ein solches Tandem ist nicht immer leicht zusammenzustellen.
  • Möglicherweise höhere Kosten: Mehrere Teilzeitstellen können durch Sozialabgaben und überschneidende Arbeitszeiten teurer werden als eine entsprechende Vollzeitstelle.
  • Erhöhter Organisations- und Kommunikationsaufwand: Jobsharing erfordert einiges an Organisation, sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Personaler müssen die Teilung von Aufgaben und Arbeitszeit im Vorfeld genau planen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Modell im Arbeitsalltag einen höheren Abstimmungs- und Kommunikationsaufwand bedeutet, der natürlich Zeit kostet.

Warum Topsharing gerade in Krisenzeiten Vorteile bietet

Und eben jener Abstimmungs- und Kommunikationswand wurde nun als gewichtiger Grund angeführt, warum Jobsharing in Krisenzeiten keine belastbare Option sei. Das deutete zumindest die Kommunikation von SAP zum Aus seiner Doppelspitze an. Um in der Krise schnelles, entschlossenes Handeln sicherzustellen, brauche es eine “klare, hierbei unterstützende Führungsstruktur”. Auch wenn sich die Hintergründe bei SAP inzwischen als deutlich vielschichtiger erwiesen haben, steht die Frage im Raum: Sind Führungstandems nur bei “Business as usual” praktikabel?

Mitnichten! Während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass geteilte Führungspositionen sehr gut funktionieren und sogar spezifische Vorteile in Krisenzeiten bieten. Das legt zumindest eine aktuelle Umfrage vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Beratungsunternehmen The Jobsharing Hub nahe:

  • Mehr Sicherheit bei schwierigen Entscheidungen: Knapp neun von zehn Befragten gaben an, dass ihnen die Arbeit im Tandem bei der Bewältigung von neuen Komplexitäten und Unsicherheiten geholfen hätte. 
  • Durch Jobsharing besser gewappnet für Krisensituationen: Für Führungstandems gehören Kommunikation, gute Arbeitsorganisation und Flexibilität ohnehin zum Arbeitsalltag. Von diesen Skills haben Jobsharer während der Arbeit im Krisenmodus profitiert.
  • Souveräner Umgang mit gestiegener Arbeitsbelastung: Auf mehrere Schultern verteilt lassen sich zusätzliche Aufgaben und temporäre Belastungsspitzen besser bewältigen.
  • Bessere Kommunikation innerhalb des Teams: In der Pandemie-Arbeitswelt hat der regelmäßige interne Austausch extrem an Bedeutung gewonnen. Das lässt sich mit zwei Führungskräften oftmals besser bewerkstelligen. Wenn eine keinen Zugang zu einzelnen Teammitgliedern findet, hat die andere womöglich einen besseren Draht.

Dass die Mehrheit der befragten Fach- und Führungskräfte in geteilten Jobs während des Lockdowns Kinderbetreuung und Arbeit besser unter einen Hut bekommen hat, überrascht kaum. Doch die genannten Vorteile machen deutlich, dass Jobsharing nicht nur flexiblere Arbeitszeitlösungen ermöglicht. Gerade in unsicheren und disruptiven Zeiten spielen Führungstandems ihre Stärken aus – und bieten Unternehmen strategische Vorteile.

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Bildquelle: © Lucky Airlangga - unsplash.com