Die Arbeitswelt kommt allmählich im Zeitalter von New Work an – viele Führungskräfte sind davon offenbar noch meilenweit entfernt. Destruktive Führung sorgt in zahlreichen Unternehmen für ein toxisches Arbeitsklima. Und das ist nicht nur unangenehm für die Belegschaft, sondern sorgt auch messbar für eine schlechtere Unternehmensperformance.

Destruktive Führung ist in deutschen Unternehmen weit verbreitet 

Ist toxische Führung ein Problem weniger Firmen in traditionellen Branchen? Leider nicht. Dass destruktive Führung kein Einzelfall ist, zeigt die Studie eines Forschungsteams der Universitäten Bielefeld und Trier sowie der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Die Wissenschaftler werteten dafür Ratings und Kommentare auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu aus. Dabei stellten sie fest, dass schlechte Führung aufgrund von toxischem Verhalten auf Management-Ebene weit verbreitet ist.

  • Bei 85 % der Unternehmen kam destruktives Führungsverhalten vor.
  • Bei 21 % ließ sich sogar auf ein ausgesprochen destruktives Führungsverhalten schließen.
  • Nur bei 18 % der Unternehmen gab es keine Anzeichen für schlechte Führung.

Ignorieren, Kränkungen, mangelnde Wertschätzung – toxische Führung hat viele Gesichter

Es sind nicht nur laute Wutausbrüche oder das Herabsetzen von Mitarbeitern. Destruktives Führungsverhalten zeigt sich auf ganz unterschiedliche Weise. Offen aggressives Verhalten gegenüber Mitarbeitern ist ein zentrales Element, aber auch manipulative Verhaltensweisen zählen dazu. Das Zurückhalten wichtiger Informationen, das Aufbauen von unnötigem Druck und fehlende Wertschätzung – auch das ist toxisches Führungsverhalten. 

Die Forschung definiert destruktive Führung als gewollte feindliche und/oder hinderliche Einflussnahme von Führungskräften auf die ihnen unterstellten Mitarbeiter. Kurzum: ein feindseliges Führungsverhalten, im Englischen “Abusive Supervision”. Darunter fällt neben dem bereits genannten auch folgendes Verhalten:

  • Unhöflichkeit und taktlose Bemerkungen
  • Kritisieren vor anderen
  • Drohen, zum Beispiel mit Jobverlust oder Versetzung
  • Zwang und Nötigung

Welleneffekt: Eine einzelne destruktive Führungskraft reicht aus

Sind solche Anzeichen schlechter Führung auch in Ihrem Unternehmen feststellbar? Dann sollten Sie als Personalverantwortlicher genau hinsehen, selbst wenn es sich nur um einen Einzelfall handelt. Denn das Verhalten einer einzigen destruktiven Führungskraft kann weite Kreise ziehen und im schlimmsten Fall für ein toxisches Arbeitsklima im gesamten Unternehmen sorgen. 

Besonders fatal sei, so die Verfasser der Studie, destruktives Führungsverhalten auf der obersten Hierarchieebene. Davon ist nämlich nicht nur das direkte Umfeld der Führungsetage betroffen, sondern es kann auch die gesamte Unternehmenskultur vergiften. Der Effekt überträgt sich auf die unteren Führungsebenen und strahlt bis auf die Mitarbeiterebene aus. 

Mitarbeiter sehen die Verantwortung für schlechte Führungskultur dabei gar nicht unbedingt beim direkten Vorgesetzten. Doch: Wenn sie der Chefetage schlechte Führung attestieren, schätzen Mitarbeiter auch das Führungsverhalten ihrer direkten Vorgesetzten als schlechter ein. 

Und die Leistung ihrer Unternehmensführung sehen in der derzeitigen Situation offenbar viele Angestellte kritisch. Laut der aktuellen Arbeitsmarktstudie von Robert Half sorgten sich 8 von 10 befragten Entscheidern, wichtige Mitarbeiter halten zu können. Gut jeder vierte von ihnen fürchtete, dass die Unzufriedenheit der Angestellten mit dem Management zu einer Abwanderung von Leistungsträgern führen könne.

Wirtschaftlicher Schaden durch toxische Führung

Schlechte Führung sorgt also nicht nur für miese Stimmung in der Belegschaft. Die Auswirkungen sind weitreichender und machen sich auch wirtschaftlich bemerkbar. Dabei geht es nicht nur um die Schwächung des Employer Brands, die natürlich auf der Hand liegt. Denn unzufriedene Mitarbeiter neigen naturgemäß eher dazu, ihre Meinung über ihren Arbeitgeber öffentlich auf Bewertungsplattformen und in sozialen Netzwerken kundzutun als die zufriedenen. 

Neben dem Arbeitgeberimage leidet aber auch die Unternehmensperformance unter destruktiver Führung. Überraschend ist das nicht: Sind Mitarbeiter unzufrieden, nimmt ihre Bindung ans Unternehmen ab und damit auch die Arbeitsmoral. Damit gehen niedrigere Produktivität und geringere Leistungsbereitschaft einher, Krankenstände steigen. Das hat direkten Einfluss auf die Unternehmenszahlen. Deshalb ist es elementar, auf Warnzeichen für eine Verschlechterung der Arbeitsmoral zu achten und frühzeitig gegenzusteuern.

Was tun gegen schlechte Führung?

Toxische Führung tut nie gut. In Zeiten, in denen agiles Handeln und kreative Lösungen nötig sind, um am Markt bestehen zu können, ist ein solches Führungsverhalten jedoch reinstes Gift. Denn es erstickt Agilität und Innovation. Immerhin: Das Bewusstsein für diese Problematik ist in vielen Unternehmen bereits vorhanden. 34 % der Entscheider sehen unzureichende Mitarbeiterführung als großen Hemmschuh für Innovation in ihrem Unternehmen an, wie die Robert-Half-Arbeitsmarktstudie zeigt. Nun gilt es zu handeln.

Gerade jetzt, wo das Management sich teilweise neu aufstellen muss, sollten Unternehmen ihre Führungskultur sehr kritisch prüfen. Sogar wenn sie grundsätzlich passt: Die Herausforderungen für Entscheider in der neuen Arbeitswelt können Einzelne überfordern. Und Überforderung begünstigt destruktives Verhalten.

Entsprechende Führungsleitlinien aufzustellen, ist ein guter erster Schritt. 

  • Eine offene, kooperative Zusammenarbeit der Abteilungen statt Konkurrenzdenken muss von Führungskräften vorgelebt werden. CIOs, CFOs und CEOs können hier mit gutem Beispiel vorangehen.
  • Transparente, klare Kommunikation ist das Gebot der Stunde. Das gilt für die Unternehmensführung ebenso wie für die Teamleitungen.
  • Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter ist ein entscheidender Faktor für zeitgemäße Führung, die innovative Lösungen fördert.

Worauf es bei einer zukunftssicher aufgestellten Führung ankommt, lesen Sie in diesem Blog-Beitrag.

Die Führungsleitlinien müssen im Arbeitsalltag aber auch gelebt werden. Und zwar auf allen Hierarchieebenen – inklusive der C-Suite. Das durchzusetzen ist nicht immer einfach. Anreiz- und Sanktionssysteme für gute beziehungsweise schlechte Führung sind eine mögliche Maßnahme. 

Wichtig ist aber auch eine gelebte, offene Feedbackkultur. Denn nur so lassen sich Missstände frühzeitig aufdecken.

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