Die richtige Personalauswahl ist bekanntermaßen komplex und kostet viel Zeit. Umso erfreulicher, wenn bei einer Bewerbung auf den ersten Blick alles passt. Doch Vorsicht: Eine makellose Papierform ist noch lange keine Garantie für die Idealbesetzung. Besonders bei augenscheinlich perfekten Kandidaten sollten Sie im Vorstellungsgespräch besonders gut hinschauen und -hören.

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Infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind vielleicht wieder mehr Fachkräfte am Arbeitsmarkt verfügbar. Einfacher wird die Suche nach passenden Mitarbeitern dadurch aber nicht zwingend. Sie bleibt anspruchsvoll und zeitintensiv. Denn, dass genau der Kandidat, den Sie sich vorstellen beziehungsweise die jeweilige Fachabteilung, gerade auf Jobsuche ist, wäre schon ein sehr glücklicher Zufall.

Nicht von perfekten Kandidaten blenden lassen

Gänzlich ausgeschlossen ist das aber nicht. Möglicherweise bringt ein Bewerber für die Stelle nicht nur die wichtigsten Fähigkeiten mit, sondern scheint zudem perfekt ins Anforderungsprofil zu passen. Seine Unterlagen sind vollständig und auf den Punkt formuliert; er selbst wirkt akkurat und motiviert. Die angeführten Erfolge stimmen nachweislich.

Ein Traum für jeden Personaler? Vorsicht: Wer das Vorstellungsgespräch im Geiste schon als reine Formsache abhakt und zu locker angeht, könnte einen Fehler machen. Wir bei Robert Half sind der Meinung, dass ein gewissenhaft geführtes Vorstellungsgespräch unersetzbar ist.

Deshalb: Legen Sie bei aller Begeisterung im persönlichen Gespräch mit dem perfekten Kandidaten die gleichen Maßstäbe an wie bei allen anderen Bewerbern. Denn nur so erfahren Sie wirklich, ob Ihr Gegenüber fachlich und menschlich für die Stelle geeignet ist.

Manchmal passt die Persönlichkeit nicht zur Unternehmenskultur, fehlt es an Teamgeist oder Kritikfähigkeit. Und machen wir uns nichts vor: Komplett ehrliche Bewerbungen haben in der Praxis eher Seltenheitswert. Vielleicht kann der vermeintlich perfekte Kandidat seinen Lebenslauf einfach nur besser aufhübschen als andere.

Das lässt sich im persönlichen Gespräch relativ gut herausfinden. Dazu brauchen Sie nicht zwingend spezielle Tests oder eine eigens erstellte Eignungsdiagnostik. Vieles erfahren Sie schon, wenn Sie aufmerksam zuhören und beobachten.

Warnsignal: Der Bewerber spricht nur über sich

Es heißt nicht umsonst Vorstellungsgespräch. Dies impliziert, dass die Beteiligten miteinander reden. Natürlich möchten Personalverantwortliche möglichst viel über die Kandidaten erfahren. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie ausschließlich über sich selbst reden sollten.

Wichtig für die Auswahl der Bewerber ist es, ob und wie der Kandidat über andere spricht. Jeder hat zwangsläufig Menschen, die ihn bei seinem bisherigen Karriereweg unterstützt haben. Erwähnt er solche Kollegen, Kunden oder Mentoren, wenn es um seine bisherige Entwicklung geht?

Ähnlich sieht es aus bei der Frage, was die Kandidaten antreibt: Haben sie ein Vorbild? Wen bewundern sie und warum? Und ganz wichtig: Stellen sie die bisherigen Erfolge in ihrer Karriere ausschließlich als eigene Verdienste hin?

Gute Teamplayer erwähnen auch andere

Wenn der Bewerber im gesamten Interview lediglich über sich selbst redet, sitzt wahrscheinlich ein sehr selbstzentrierter Mensch vor Ihnen. Solche Persönlichkeiten sind in der Regel keine guten Teamplayer.

Ein schlechtes Zeichen ist es auch, wenn jemand negativ über seinen Ex-Arbeitgeber oder seine Ex-Kollegen spricht. Ist der Kandidat ansonsten fachlich einwandfrei, forschen Sie diesbezüglich bei seinen ehemaligen Arbeitgebern nach.

Wesentlich integrativer dürfte ein Kandidat sein, der im Gespräch auch mal den Namen eines Kollegen fallen lässt, mit dem er gemeinsame Erfolge feierte. Oder der seinen Chef lobend erwähnt, weil der ihm seine Weiterentwicklung ermöglichte. Denn wer anerkennt, dass sich gemeinsam mehr erreichen lässt, wird sich wahrscheinlich auch in Ihrem Unternehmen gut einfügen.

Fachliche Kompetenzen im Blick

Hält der Kandidat, was seine Papierform verspricht? Um den Bewerber fachlich auf den Prüfstand zu stellen, konfrontieren Sie ihn mit spezifischen Fragen. Ist er über aktuelle Entwicklungen seiner Branche informiert? Weiß er, wo sich Ihr Unternehmen positioniert? Laden Sie gern einen Kollegen aus der entsprechenden Fachabteilung zu diesem Teil des Gesprächs ein.

Möchten Sie angebliche sprachliche Kompetenzen überprüfen, dann wechseln Sie während des Interviews in eine Fremdsprache. Gerät der Kandidat hier arg ins Stocken, hat er in den Unterlagen offenbar deutlich übertrieben – ein K.-o.-Kriterium. Denn wer seine Sprachkenntnisse derart aufbauscht, macht das vielleicht auch an anderer Stelle.

Authentisch ist besser als perfekt

Mit der typischen Frage nach der eigenen Schwäche tun sich viele Bewerber schwer. Deshalb kommen sie hier häufig mit den üblichen Beispielantworten aus Karriereratgebern. Vielleicht sind sie dabei sogar ehrlich. Doch wegen der Standardformulierung wirken sie wenig authentisch. Hier sind Sie als Personaler gefragt, der Sache auf den Grund zu gehen.

Leichter lassen sich Kandidaten enttarnen, die sich als unfehlbar darstellen – oder ihren Perfektionismus beziehungsweise ihre Ungeduld als ihre größte Schwäche verkaufen. Solche Kandidaten haben wahrscheinlich nicht genug Selbstvertrauen, um zu ihren Fehlern zu stehen. Das könnte im Arbeitsalltag zum Problem werden.

Wie ist das Verhalten des Bewerbers allgemein?

Ebenfalls wichtig für die richtige Personalauswahl: Welchen Eindruck macht der Bewerber jenseits fachlicher Kriterien? Damit sind nicht nur angemessene Kleidung und Pünktlichkeit gemeint. Hier leisten sich gut vorbereitete Jobsuchende kaum noch einen Patzer. Natürlich – Verspätungen können vorkommen und liegen nicht immer am Bewerber. Doch informiert er Sie nicht darüber, reagiert er womöglich auch sonst wenig souverän auf Unvorhergesehenes.

Achten Sie auch auf ganz beiläufiges Verhalten des Kandidaten, auf das er in der Bewerbungssituation nicht bewusst achtet. Wie tritt er beispielsweise gegenüber Auszubildenden und Mitarbeitern der unteren Hierarchieebenen auf? Oder interagiert er mit Männern und Frauen unterschiedlich?

Bei Top-Kandidaten: Gibt es eine langfristige Perspektive?

Der Bewerber bringt bis jetzt alles mit, was Sie sich wünschen? Gut, aber freuen Sie sich nicht zu früh. Fragen Sie sich besser, ob Ihr Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber für ihn ist. Wird er sich langfristig mit seinen alltäglichen Aufgaben wohlfühlen? Bieten Sie ihm Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten?

Wenn nicht, dann müssen Sie sich vielleicht bald erneut auf die Suche nach einem perfekten Mitarbeiter machen. Entscheiden Sie sich im Zweifel lieber für jemanden, der mit der Stelle wächst und sich nicht von Anfang an langweilt.

Es muss nicht immer perfekt sein: Hidden Talents eine Chance geben

Manchmal erweisen sich jene Kandidaten als Volltreffer, deren Qualifikationen auf dem Papier nicht optimal wirken. Besonders dann, wenn Sie von ihrer Persönlichkeit her sehr gut zur Unternehmenskultur passen. Auch Begeisterungsfähigkeit und der unbedingte Wille zum Lernen sind im Zweifel wichtiger als berufliche Erfahrung. Denn Fachkenntnisse lassen sich durch Fort- und Weiterbildungen vermitteln. Die persönliche Einstellung zu ändern, ist weitaus schwieriger.

Auf der anderen Seite kann es vorkommen, dass ein Kandidat auch nach dem Gespräch rein objektiv betrachtet perfekt auf die Stelle zu passen scheint. Dennoch sträubt sich irgendetwas in Ihnen. Nehmen Sie Ihr Bauchgefühl ernst und gehen Sie ihm auf den Grund, am besten im Austausch mit Ihren Kollegen. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie nicht allein nach persönlicher Sympathie entscheiden, ansonsten besteht die Gefahr einer Fehlbesetzung.

Sie wünschen sich Unterstützung dabei, gute Mitarbeiter zu finden? Wir können Ihnen einen großen Teil der aufwendigen Personalauswahl abnehmen und kurzfristig geeignete Kandidaten anbieten. Senden Sie uns dafür einfach Ihre Personalanfrage und wir melden uns umgehend bei Ihnen.

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