Regelmäßig anfallende Überstunden können sich zu einer großen Belastung für Angestellte entwickeln. Wenn Sie als Führungskraft Ihre Mitarbeitenden davor schützen, sorgen Sie für ein zufriedenes Team und auf lange Sicht sogar für bessere Leistungen.

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Normal, aber besser kein Dauerzustand

Eine plötzlich anziehende Auftragslage, viele wichtige Deadlines oder personelle Engpässe während der Urlaubszeit – es gibt eine ganze Reihe von Umständen, die Mehrarbeit erfordern können. Im Jahr 2020 haben die Angestellten in Deutschland laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) rund 1,67 Milliarden Überstunden geleistet. Der Rückgang gegenüber 2019, wo es noch rund 1,86 Milliarden waren, lässt sich mit der Corona-Pandemie erklären. In beiden Jahren waren mehr als die Hälfte der Überstunden unbezahlt: Pro Kopf fielen 2020 im Schnitt 19 bezahlte und 21,9 unbezahlte Überstunden an.

Solange sie im Rahmen bleiben und finanziell oder durch Freizeit ausgeglichen werden, müssen Überstunden auch kein Problem sein. Wo sie allerdings an der Tagesordnung sind, deuten sie oft auf größere Probleme im Unternehmen hin. Dann sollten Führungskräfte eingreifen und ihre Mitarbeiter schützen. Sonst steigt die Burnout-Gefahr im Team deutlich an.

Alarmsignale: So erkennen Sie zu viele Überstunden 

Vorübergehende Spitze oder Dauerzustand? Manchmal sind die Grenzen fließend. Behalten Sie Ihr Team genau im Auge, um Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen. Wenn Sie die folgenden Signale bemerken, kann das auf zu viele Überstunden hindeuten:

  • Mitarbeitende sind oft krank: Die Krankheitsquote steigt abweichend von den normalen Schwankungen im Jahresverlauf? Oft steckt Überlastung dahinter. Leider entsteht dann häufig ein Teufelskreis, weil die verbleibenden Teammitglieder noch mehr schultern müssen.
  • Die Stimmung im Team ist gereizt: Weniger Small Talk und Scherze, dafür mehr aggressive oder genervte Kommentare – eine angespannte Atmosphäre kann ebenfalls ein Zeichen für Belastung durch Überstunden sein.
  • Soziale Aktivitäten werden gemieden: In vielen Unternehmen gehören ein gemeinsames Mittagessen mit den Kolleg*innen oder ein regelmäßiges Feierabendbier zum Standard. Wenn die Teilnahme plötzlich abnimmt, kann das ein Warnsignal sein. Vielleicht haben die Angestellten das Gefühl, ohnehin schon zu viel Zeit in der Firma zu verbringen und möchten nicht über die Arbeit sprechen. Oder sie wollen ihre Pause lieber verkürzen, um mehr Aufgaben zu erledigen.
  • Mitarbeitende vernachlässigen ihr Erscheinungsbild: Wird die Garderobe schlampiger, ist das möglicherweise ein Hinweis auf wachsende Erschöpfung, weil die Betroffenen schlecht aus dem Bett kommen und keine Energie haben.
  • Es gibt konkrete Beschwerden: Dieses Zeichen ist natürlich besonders deutlich. Offenen Klagen über zu viel Arbeit sollten Sie immer nachgehen.

Sie sind unsicher, ob wirklich Überstunden hinter den Veränderungen stecken oder es vielleicht andere Auslöser für die Unzufriedenheit gibt? Suchen Sie das Gespräch mit den Teammitgliedern und machen Sie außerdem deutlich, dass Sie immer ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben.

Wie Sie Ihre Mitarbeiter schützen können

Wenn es schon zu übermäßig vielen Überstunden gekommen ist, sind zwei Dinge wichtig: Anerkennung und Ausgleich. Bedanken Sie sich bei dem Team und betonen Sie, dass Sie den Einsatz zu schätzen wissen. Sorgen Sie außerdem dafür, dass die Überstunden ausgeglichen werden. Das kann finanziell geschehen oder indem das Team in ruhigeren Zeiten früher gehen darf.

Im Idealfall kommt es aber gar nicht erst zu Überstunden. Mit diesen Tipps können Sie Ihre Mitarbeiter davor schützen.

  • Regelmäßigkeiten erkennen: In den meisten Branchen gibt es über das Jahr verteilt immer wiederkehrende Belastungszeiten. Reflektieren Sie die vergangenen Jahre: Können Sie ableiten, wann der Arbeitsaufwand in diesem Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit wieder hoch ist? Wann stehen neue Projekte an? Diese Aspekte können zum Beispiel in die Urlaubsplanung einfließen. Oder Sie erkennen dadurch frühzeitig, wann Sie Unterstützung durch neue Mitarbeitende oder Zeitarbeitskräfte brauchen.
  • Gründe identifizieren: Natürlich kann hinter Überstunden schlicht eine zu große Menge an Arbeit stecken. Vielleicht arbeitet das Team aber auch nicht effizient genug. Im zweiten Fall kann eine Neuverteilung der Aufgaben oder ein Zeitmanagement-Coaching helfen. 
  • Strukturen verbessern: Manche Tätigkeiten kosten viel Zeit, sind aber vielleicht gar nicht so wichtig. Oder die internen Prozesse sorgen für eigentlich vermeidbare Aufwände. Analysieren Sie die Strukturen und identifizieren Sie Einsparpotenzial, zum Beispiel durch eine neue Software oder optimierte Arbeitsabläufe.
  • Wachstum auffangen: Wenn das Unternehmen wächst, gibt es auch mehr zu tun. Oft ist Personalmangel die Folge. Reagieren Sie rechtzeitig, indem Sie den Anstieg voraussehen und auf Neueinstellungen oder kurzfristige Übergangslösungen wie Freelancer*innen oder Zeitarbeitskräfte setzen.

Überstunden im Home-Office erkennen und vermeiden

Aber wie können Sie Ihre Mitarbeitenden schützen, wenn diese im Home-Office sind und Sie vielleicht gar nichts von den Überstunden mitbekommen? Schließlich sind dann auch die Warnsignale viel schwerer erkennbar, weil weniger Kontakt besteht und manche Kommunikationsebenen wegfallen. Seit Beginn der Corona-Pandemie stellt dieses Thema viele Führungskräfte vor Herausforderungen. Und da die Arbeitswelt immer flexibler wird und hybrides Arbeiten in vielen Unternehmen weiterhin die Regel bleibt, ist es auch in Zukunft wichtig.

Zu den möglichen Anzeichen, dass ein Teammitglied im Home-Office Überstunden macht, gehören ungewöhnliche Arbeitszeiten. Nachrichten zu später Stunde oder sehr früh morgens sollten Sie stutzig machen – sofern diese Zeiten nicht wegen persönlicher Vorlieben oder der familiären Situation so vereinbart sind. Auch nicht eingehaltene Termine, vergessene Aufgaben oder sehr verspätete Antworten können auf eine Überforderung hindeuten.

Um überlastete Mitarbeitende im Home-Office zu unterstützen, braucht es viel Empathie und Zeit für persönliche Gespräche. Setzen Sie dafür regelmäßige Termine an (mindestens einmal im Monat) und fragen Sie darin konkret nach dem Befinden und der Arbeitsbelastung. Zusätzlich sind auch Calls mit dem gesamten Team ein Indikator für die Stimmung. Hören Sie genau auf die Zwischentöne, wenn die Kolleg*innen sich über die Arbeit austauschen. Bitten Sie das Team immer wieder darum, bei einer zu hohen Aufgabenlast frühzeitig Bescheid zu geben.

Rechtliche Aspekte zu Überstunden

Bereits jetzt sind Unternehmen laut § 16 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) verpflichtet, Arbeitszeiten zu dokumentieren, die über acht Stunden pro Tag hinausgehen – also Überstunden. In einem Urteil aus dem Jahr 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) außerdem entschieden, dass in allen Unternehmen innerhalb der EU Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Pausen erfasst werden (Az. C-55/18 - CCOO). Allerdings gibt es bislang noch kein Gesetz in Deutschland, das diese Entscheidung in nationales Recht umsetzt.

Ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden (Az. 2 Ca 144/20) legt nahe, dass das EuGH-Urteil bereits jetzt Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse hat und eine Zeiterfassung nötig macht. Zusätzlich ging es in dem Fall um die Billigung von Überstunden und die Pflicht zur Auszahlung: Eine Angestellte hatte eine große Zahl von Überstunden angesammelt und im System des Arbeitgebers dokumentiert. Vor Gericht wollte sie die Auszahlung durchsetzen, die Mehrarbeit war aber nicht angeordnet worden. Das Gericht entschied in ihrem Sinne und befand es als ausreichende Billigung, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit gehabt hätte, die Zeiten im System einzusehen.

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