Geschätzte Lesedauer: 9 Minuten

Neben dem Kampf um Kunden, technischen Herausforderungen und der Umstellung zahlreicher Prozesse, muten Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung in Krisenzeiten fast wie Luxus an. Doch das ist zu kurz gedacht. Wer jetzt seine Angestellten aus dem Blick verliert, riskiert womöglich einen Personalkollaps – spätestens dann, wenn sich die Wirtschaft erholt. Was wichtig ist, um die Belegschaft auch in unsicheren Zeiten ans Unternehmen zu binden, weiß Emine Yilmaz, Managing Director bei Robert Half.

Warum Mitarbeiterbindung gerade bei unruhiger See wichtig ist

Klar: Maßnahmen zur Personalbindung sind grundsätzlich ein zentrales Thema, das nie unter den Tisch fallen sollte. In Krisensituationen gewinnt das Retention-Management aber noch einmal mehr an Bedeutung: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind motivierte Mitarbeitende ein entscheidender Produktivitätsfaktor – und spätestens, wenn Ihr Unternehmen wieder volle Fahrt aufnimmt, brauchen Sie alle Hände an Deck. .

Denn jede Krise geht irgendwann vorüber, und anschließend wird wieder verstärkt rekrutiert werden. Bei Wettbewerbern möglicherweise früher als im eigenen Unternehmen. Und durch den Fachkräftemangel sind talentierte Mitarbeitende heiß begehrt.

Eine Studie im Rahmen der Gehaltsübersicht 2023 von Robert Half zeigt: 78 Prozent der Befragten haben Bedenken, ob ihr Unternehmen wertvolle Mitarbeitende halten kann. Wiederum 38 Prozent davon machen sich Sorgen, dass ihre Angestellten von Headhuntern anderer Firmen abgeworben werden könnten. Unternehmen sollten daher nicht untätig bleiben und Maßnahmen ergreifen, um Top-Talente an das eigene Unternehmen zu binden.

Luxusliner oder eher Seelenverkäufer? Die Krise bringt es ans Licht

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt waren nicht nur aus unternehmerischer Sicht eine Herausforderung. Sie haben auch Arbeitnehmenden einiges abverlangt: Der Schritt von Old zu New Work war in vielen Unternehmen schnell getan und ist gerade deswegen an den Mitarbeitenden nicht spurlos vorübergegangen.

Neue Arbeitsformen, deutlich mehr Selbstverantwortung, teilweise ein außergewöhnlich hoher Workload oder Kurzarbeit. Und das in einer Zeit, die mittlerweile von weiteren großen Unsicherheiten geprägt ist: Energiekrise, Inflation und steigende Preise stellen vieles infrage, was vor wenigen Jahren noch als selbstverständlich galt. Fühlen sich Mitarbeitende in dieser Situation vom Arbeitgeber im Stich gelassen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie die erstbeste Gelegenheit zum Jobwechsel nutzen.

Der aktuelle Gallup Engagement Index 2021, der Ende 2021 erstellt wurde, zeigt: Die Wechselbereitschaft sinkt bei hoher Unternehmensbindung der Angestellten deutlich – und eine hohe Bindung sorgt auch dafür, dass sowohl die Produkte beziehungsweise Dienstleistungen des Unternehmens als auch die Firma selbst als Arbeitgeber im persönlichen Umfeld empfohlen werden. Der Zeitpunkt ist also gut, um sich als Arbeitgeber zu positionieren, der für seine Mitarbeitenden da ist, und so die Arbeitsmoral zu steigern.

Unternehmen, die jetzt ins Retention-Management intensivieren, halten nicht nur Mitarbeitende. Sie können sich gleichzeitig vergleichsweise einfach einen Wettbewerbsvorteil in Sachen Employer Branding sichern und sich für bessere Zeiten gut aufstellen.

Gemeinsam durch stürmische Zeiten: Am Puls der Crew bleiben

Das gibt die Marschrichtung vor: Arbeitgeber sollten genau hinschauen, wie es der eigenen Mannschaft mit den weitreichenden Veränderungen geht, die in der vergangenen Zeit auf sie eingeprasselt sind. Welche Erfahrungen haben die Mitarbeitenden gemacht, welche Erkenntnisse gewonnen? Wie läuft die Rückkehr zum alten Arbeitsalltag – oder hat sich der Arbeitsalltag im Unternehmen verändert?

Der Dialog mit dem Team sollte derzeit ganz oben auf der Agenda von Personalern stehen. So lassen sich akute Probleme frühzeitig erkennen und beheben. Flankierend können Mitarbeitendenumfragen weitere wertvolle Informationen liefern. Positiver Nebeneffekt: Arbeitgeber geben ihren Angestellten damit das gute Gefühl, dass ihre Meinung geschätzt wird.

Auch wenn die Kassen leer sind: Die Heuer muss stimmen

Der Kostendruck ist in vielen Unternehmen immens gestiegen. Verlockend, jetzt bei Neueinstellungen das Gehalt möglichst weit zu drücken. Das ist aber auf lange Sicht keine gute Idee. Mit einem Gehalt unter Branchenschnitt riskieren Arbeitgeber nicht nur, dass die Neueinstellung schon bald ein besseres Angebot annimmt. Bei Angestellten, die sich nicht angemessen bezahlt fühlen, führt die Enttäuschung darüber oft mittelfristig dazu, dass Engagement und Produktivität sinken.

Meutereien sind zwar selten geworden, doch die unbequeme Wahrheit ist: “You get what you pay for.” Deshalb sollten Unternehmen faire Gehälter zahlen. Mit Geld allein lassen sich Mitarbeitende bekanntermaßen meist nicht halten. Doch Maßnahmen zur Mitarbeitendenbindung laufen in der Regel ins Leere, wenn an dieser Stelle eine grundsätzliche Unzufriedenheit besteht.

Etwa ein Viertel der zuletzt im Auftrag von Robert Half befragten Führungskräfte ist allerdings der Ansicht, dass sie die Gehälter nicht an die Inflation anpassen können, ohne die Zukunft des Unternehmens zu gefährden. Das heißt: Alternativen sind gefragt. Deshalb bieten 37 Prozent der Arbeitgeber ihren Angestellten verstärkt Remote-Arbeit als Ausgleich der steigenden Lebenshaltungskosten an: Dadurch werden gleichzeitig die Fahrtkosten verringert und eine bessere Work-Life-Balance geschaffen, da weniger Freizeit auf den Arbeitsweg entfällt.

Wenn große Gehaltssprünge gerade nicht möglich sind, ist eine transparente Kommunikation der beste Weg zum Verständnis. Eine Option kann das Offenlegen von Geschäftszahlen sein. Außerdem sind Perspektiven gefragt: Was muss passieren, damit wieder über Gehaltsanpassungen gesprochen werden kann? Weitere Überlegen könnten auch sein, ob zur Motivation dem ganzen Team einen Bonus in Aussicht gestellt wird, falls ein bestimmtes Geschäftsergebnis erreicht wird.

Effizienter und günstiger als ‘ne Buddel voll Rum: Damit können Sie Angestellte halten

Wenn die Rahmenbedingungen aber stimmen, lässt sich die Mitarbeitendenbindung relativ einfach und ohne hohen finanziellen Aufwand erhöhen. Viel wichtiger als kostenintensive Maßnahmen ist die Bereitschaft, auf die Mitarbeitenden einzugehen und sich von alten Mustern zu lösen. Dies sind – neben dem Gehalt – die wichtigsten Maßnahmen zur Mitarbeitendenbindung:

Wertschätzung: Aufmerksame Fragen nach der Arbeitssituation und dem Wohlbefinden sowie Lob und Dank, wo sie angebracht sind, geben Mitarbeitenden das Gefühl, gesehen zu werden, und sind derzeit wichtiger denn je.

Kommunikation und Transparenz: Krisensituationen bringen Unsicherheit mit sich. Arbeitgeber können dieser entgegenwirken, mit klarer und beständiger Kommunikation. Die Belegschaft sollte auf dem Laufenden gehalten werden, selbst bei kleinen Kurskorrekturen. Gehört das Unternehmen bislang nicht zu den transparentesten, ist jetzt ein guter Zeitpunkt das zu ändern. Denn Mitarbeitende sollten wissen, wofür sie sich einsetzen.

Flexibilität: Flexibles Arbeiten für alle und der Ausgleich längerer Arbeitszeiten durch zusätzliche Urlaubstage gehören zu den häufigsten Initiativen, die von Unternehmen in Deutschland aktuell angeboten oder im nächsten Jahr eingeführt werden, wie die Robert-Half-Umfrage zeigt.3 Das Vertrauen auf ein ausgewogenes Geben und Nehmen führt zu einer stärkeren Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen. Vor allem die Generation Z legt Wert darauf, flexibel arbeiten zu können.

Wohlbefinden: Das wöchentliche Firmen-Yoga, die Massage in der Pause und der freitägliche After-Work-Drink auf der Dachterrasse – die üblichen Glücklichmacher sind in Zeiten von New und Hybrid Work nicht für alle Mitarbeitenden möglich. Arbeitgeber sollten kreativ werden und in der Situation angemessenen Ersatz finden. Benefits zur Mitarbeitendenbindung sollten auf die Belegschaft zugeschnitten und einen echten Mehrwert bieten.

Bei Remote Work kann ein Zugang zu Online-Yoga-Kursen eine gute Idee sein, ein Webinar über Entspannungstechniken oder ein Online-Escape-Game fürs Teambuilding. Kleine Maßnahmen, wie ein Termin zum virtuellen Feierabendbier oder Lunch sind zwar nette Add-ons, als echte Benefits lassen sich diese Maßnahmen aber nicht verkaufen. Das führt schnell zu der Frage, ob das alles ist, was dem Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden zu bieten hat.

Perspektiven: Insbesondere Mitarbeitende, die in einer Ausnahmesituation fachfremde oder zusätzliche Aufgaben übernommen haben, brauchen die Sicherheit, dass dies nur eine Übergangslösung ist. Entsteht der Eindruck, dass sie dauerhaft darauf festgenagelt werden, kann dies das ungute Gefühl auslösen, in einer beruflichen Sackgasse zu stecken. Laut der Umfrage von Robert Half werden Gespräche über die beruflichen Pläne und Ziele der Beschäftigten bereits von 22 Prozent der vertretenen Unternehmen angeboten, während über ein Drittel konkrete Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung anbietet.4 Arbeitgeber sollten daher unbedingt mittel- bis langfristige Ziele besprechen und Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen.

Wenn es Arbeitgebern gelingt in diesen Bereichen positive Signale zu setzen, lässt sich das Commitment der Mitarbeitenden flächendeckend erhöhen. Grundsätzlich ist und bleibt Commitment natürlich eine sehr individuelle Angelegenheit. Neben der Arbeit an den Grundlagen kommen Arbeitgeber also nicht umhin, sich mit den Bedürfnissen des Einzelnen zu beschäftigen. Im Zweifel kennen die direkten Vorgesetzten diese am besten. Es empfiehlt sich daher im Idealfall alle Führungskräfte aktiv in das Retention-Management einzubinden.

Kurs halten auch bei schlechter Sicht: Kennzahlen für die Bindung ans Unternehmen

Retention-Management kann sich mitunter wie Stochern im Nebel anfühlen. Ob Maßnahmen zur Mitarbeitendenbindung die Besatzung längerfristig an Bord hält oder die Arbeit umsonst ist, lässt sich leider meist nicht unmittelbar ableiten. Diese Kennzahlen geben Aufschluss darüber, ob das Unternehmen auf dem richtigen Kurs ist: 

  • Mitarbeiter-Commitment-Index: Der direkteste (allerdings recht aufwendige) Weg, um herauszufinden, wie es um die Verbundenheit Ihrer Mitarbeitenden steht, ist es, sie regelmäßig zu ihrem Befinden und ihrer Einstellung zum Unternehmen zu befragen. 
  • Fluktuation: Wie viele Personen verlassen das Unternehmen im Schnitt im Jahr, wie sieht es in den einzelnen Abteilungen aus und welche Tendenzen lassen sich daraus ableiten? Die Antworten sind besonders im Branchenvergleich aufschlussreich.
  • Durchschnittliche Betriebszugehörigkeit: Diese Kennzahl gibt Aufschluss über die Stabilität in der Belegschaft.
  • Abwesenheitsquote: Ein überdurchschnittlicher Krankenstand kann auf Stress und Unzufriedenheit hindeuten.
  • Verbesserungsvorschläge: Nur engagierte Mitarbeitende, die gemeinsam mit ihrem derzeitigen Arbeitgeber etwas erreichen wollen, machen Verbesserungsvorschläge. Arbeitgeber können auswerten, wie oft dem Aufruf dazu gefolgt wird.
  • Interesse an internen Stellenausschreibungen: Die Resonanz auf interne Ausschreibungen verrät einiges über die Attraktivität als Arbeitgeber. Insbesondere wenn Leistungsträger kein Interesse an weiteren Karriereoptionen im Unternehmen zeigen, sollten man hellhörig werden.
  • Mitarbeiterempfehlungen: Nur zufriedene Mitarbeitende werden Freunde und Bekannte ermuntern, sich bei ihrem Arbeitgeber zu bewerben. Das wiederum schafft im Gegenzug eine langfristige Mitarbeitendenbindung.

Alles Klarschiff?

Auf See muss jeder Handgriff sitzen – und eine eingespielte Mannschaft ist inmitten eines Sturms Gold wert. Arbeitgeber können herausfinden, wie verbunden ihre Angestellten dem Unternehmen gegenüber sind und Maßnahmen ergreifen, um die Mitarbeitendenbindung zu erhöhen. Angemessene Gehälter und Benefits sind eine Sache, aber auch deutliche Wertschätzung und Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung dürfen nicht unterschätzt werden.

Ist das Team zufrieden, steigt nicht nur die Produktivität, sondern auch die Reputation des Unternehmens. Dadurch gewinnen nicht nur Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsangebote, sondern auch das Unternehmen als Arbeitgeber an Attraktivität – eine gute Basis für die Zukunft. Ihre Crew braucht Verstärkung? Schicken Sie uns noch heute Ihre Personalanfrage!

Personalanfrage senden


Robert Half ist ein globaler, spezialisierter Anbieter von Talentlösungen. Wir unterstützen Bewerber bei ihrem nächsten Karriereschritt und Unternehmen bei der Suche nach Zeitarbeitskräften, Mitarbeitern in Festanstellung und Freelancern im Finanz- und Rechnungswesen, in der IT und im kaufmännischen Bereich. Darüber hinaus bieten wir Executive Search für die Vermittlung von Führungskräften. Zur Unternehmensgruppe Robert Half gehört Protiviti, ein globales Beratungsunternehmen. Gemeinsam bieten die Unternehmen Managed Solutions für verschiedene Projekte an.

Bildquelle: © Hannah Busing/2020 - unsplash.com