Viele Führungskräfte mit dem Karriereziel CEO klammern den Mittelstand bei der Karriereplanung kategorisch aus. Zurecht? Sind die Unterschiede tatsächlich so groß?

Was genau unterscheidet die Führungsetagen von KMU und Großkonzernen überhaupt? Christian Umbs von Robert Half gibt interessante Einblicke aus ihrer langjährigen Erfahrung mit Unternehmen unterschiedlicher Größe.

Was ist besser: Karriere im Mittelstand oder im Konzern? 

Wo ist die CEO-Karriere attraktiver: im Konzern oder im Mittelstand? Für angehende oder wechselwillige Führungskräfte ist das eine wichtige Frage. Von der Antwort hängt schließlich viel ab.

Sie beeinflusst nicht nur den beruflichen Erfolg, sondern auch stark die private Lebensplanung. Deshalb ist jede Wahl für oder gegen ein Unternehmen vor allem eine individuelle Angelegenheit. Das macht die Sache nicht einfacher. 

Immerhin: Der C-Tracker Deutscher Mittelstand von Robert Half kann die Entscheidung erleichtern. Er basiert auf Umfragen in 62 Unternehmen, die zu den 100 umsatzstärksten Firmen in Familienbesitz in Deutschland gehören.

Die gesammelten Daten ergeben nicht nur ein Bild von den Führungsetagen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Sie erlauben teils auch einen Vergleich mit der Arbeitswirklichkeit von Top-Managern in DAX-Konzernen.

Der erfahrene Personalexperte Christian Umbs von Robert Half fasst im Interview die wichtigsten Ergebnisse der Studie für Ihre Karriereplanung zusammen.

Alter, weißer Mann – stimmt dieses Bild vom Top-Manager noch?

Christian Umbs: Kurz gesagt: ja. Der C-Tracker Deutscher Mittelstand belegt eindeutig: Der typische CEO ist männlich, Mitte bis Ende 50 und hat die deutsche Staatsangehörigkeit – unabhängig von der Unternehmensgröße. Etwas frischer Wind könnte deshalb nicht schaden ...

Wann beginnt die CEO-Karriere im Mittelstand?

Umbs: Ein Viertel der KMU-Geschäftsführer sitzt bereits im Alter von 30 oder weniger Jahren in einem Chefsessel. Im Mittelstand ist also eine frühzeitige Karriere als Führungskraft möglich. Das durchschnittliche Einstiegsalter von Managern liegt hier bei 36,4 Jahren. 

Früher Start = schneller Aufstieg?

Umbs: Kaum, wenn wir die Situation von heute mit der vor etwa 10 bis 15 Jahren vergleichen. Für ihre Karriere als KMU-Geschäftsführer, die heute zwischen 55 und 81 Jahre alt sind, brauchten durchschnittlich 15,2 Jahre, um in diese Position zu kommen. Bei aktuell jüngeren Managern (34 bis 50 Jahre) waren es 14,3 Jahre. Das halte ich für keinen großen Unterschied.

Stichwort Jobsicherheit: Wie lange behalten KMU-Manager ihre Position? 

Umbs: Relativ lang, nämlich 14,8 Jahre. Rund ein Drittel von ihnen bleibt sogar 16 und mehr Jahre in ihrer aktuellen Führungsposition. In DAX-Unternehmen sieht das ganz anders aus: Dort steht ein Wechsel – in welche Richtung auch immer – meist nach 4,9 Jahre an.

Meine Interpretation dieser Zahlen: Die ersten 5 Jahre sind für Geschäftsführer entscheidend. Und zwar sowohl für sie als auch ihren Arbeitgeber. Unternehmen erwarten in dieser Zeit Erfolge von ihren Führungskräften.

Dann steigt die Wahrscheinlichkeit einer längerfristigen Beschäftigung. Umgekehrt ist für leistungsstarke CEOs nach 5 Jahren der beste Zeitpunkt für einen Unternehmenswechsel gekommen. Das ist die Chance für den nächsten Schritt auf der Karriereleiter.

Für ältere Führungskräfte (55+) hingegen, die länger als 16 Jahre in einem KMU sind, ist ein weiterer Aufstieg eher schwierig. Und: In DAX-Unternehmen ist die „Überlebensdauer“ des CEOs in der Regel wesentlich kürzer als im Mittelstand.

Der Mittelstand als Sprungbrett für eine Konzern-Karriere?

Umbs: Das würde gute Chancen für den externen Nachschub an Führungskräften voraussetzen. Doch die Zahlen in unserem C-Tracker sprechen eine andere Sprache: Demnach werden in KMU etwa 62 % der Management-Posten mit Mitarbeitern aus den eigenen Reihen besetzt. In DAX-Unternehmen ist diese Quote mit gut 77 % noch deutlich höher. Damit haben dort Bewerber aus dem Mittelstand eher schlechte Karten.

Andererseits: Unternehmen besetzen Führungspositionen gern mit vielseitig erfahrenen Kräften. 60 % der KMU-Manager haben zuvor in mehreren Branchen gearbeitet. Das scheint dem Trend zu internen Beförderungen zu widersprechen.

Wir schließen daraus, dass breitgefächerte Kenntnisse und Qualifikationen vor allem in der ersten Karrierehälfte erworben werden sollten. Erst danach ist es für Management-Anwärter sinnvoll, sich auf eine spezielle Geschäftsführerposition vorzubereiten.

Wie sieht der optimale Weg an die KMU-Spitze aus?

Umbs: DEN idealen Karriereweg gibt es natürlich nicht. Es fällt jedoch auf, dass der Posten des Vorstandsvorsitzenden in einem Drittel der befragten Betriebe über eine Karriere im Finance-Bereich führte. Verschiedene Positionen in der IT werden zwar immer wichtiger und gefragter, den Weg an die KMU-Spitze eröffnen sie aber nur selten. Das gilt auch für den CEO-Posten in DAX-Unternehmen: Dort hatten 26,7 % den CFO Posten inne, bevor sie CEO wurden; keiner war CIO oder hatte auch nur eine Position innerhalb der IT.

Diese Zahlen passen zur akademischen Ausbildung der Geschäftsführer: Gut 35 % der Top-Manager im Mittelstand haben ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert, in der DAX-Riege sogar fast die Hälfte (46,7 %).

Zahlen, bitte: Das Gehalt für Geschäftsführer im Mittelstand

Umbs: Abhängig von Unternehmen, Branche und Standort können Spitzenverdiener mehrere hunderttausend Euro pro Jahr verdienen. Im Vergleich zu den Gehältern in der DAX-Liga ist das allerdings eher wenig. Top-Manager großer Konzerne kommen auf Einkommen in Millionenhöhe. Da können viele Mittelständler nicht mithalten. Was im Schnitt für verschiedene Positionen gezahlt wird, zeigt übrigens ein Blick in unsere Gehaltsübersicht

Unterm Strich: KMU oder DAX – worauf kommt es für angehende CEOs an?

Umbs: Letztlich ist das eine Sache der persönlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten. Darin unterscheidet sich die CEO-Karriere sich nicht von anderen Karriereplanungen. Interessenten an einer Führungsposition sollten immer eine Nabelschau halten und persönliche Prioritäten setzen, bevor sie sich auf einen neuen Job bewerben. Und dann natürlich den neuen potenziellen Arbeitgeber genau betrachten. Da gibt es gravierende Unterschiede.

Für KMU spricht:

  • Sie sind kleiner als Konzerne und daher flexibler hinsichtlich von Entscheidungen. Oft gibt ein kleiner Kreis oder nur eine Person die Richtung vor.
  • Besonders die sogenannten Hidden Champions sind strukturell gut organisiert. Viele dieser unscheinbar wirkenden Weltmarktführer sind hinsichtlich der Digitalisierung weit fortgeschritten.
  • Wegen der geringen Anzahl von Beschäftigten ist die Mitarbeiterbindung stark ausgeprägt und der Ton eher persönlich.

Gegen KMU spricht:

  • Die Abhängigkeit von wenigen Entscheidungsträgern ist groß.
  • Reaktionäre und autoritäre Führungskräfte können stur sein und erkennen oft nicht die Möglichkeiten moderner Technologien und Organisationsstrukturen.
  • Die CEO-Tätigkeit kann eindimensional und wenig abwechslungsreich sein.
  • Gegen Manager von außen gibt es schon mal Vorbehalte in der Belegschaft.

Diese Liste ließe sich weiterführen. Eine ähnliche Gegenüberstellung ist natürlich auch für Konzerne möglich. Die sind zum Beispiel stärker organisiert, bieten aber für Macher vergleichsweise geringe Entfaltungsmöglichkeiten. Dafür punkten sie mit mehr Gehalt für Geschäftsführer und größeren Karrierechancen, etwa in Tochterfirmen oder Ablegern im Ausland.

Die komplette Auswertung finden Sie hier:https://www.roberthalf.de/geschaeftsfuehrer-deutscher-mittelstand