Die Bewerbung liest sich vielversprechend und der Lebenslauf scheint wie maßgeschneidert für die Position, die im Unternehmen gerade zu besetzen ist. Vielleicht gab es auch schon ein gutes persönliches Gespräch. Alles scheint zu passen. Aber dann reagiert die Bewerberin plötzlich nicht auf das Jobangebot und meldet sich auch auf Nachfrage nicht mehr. Was dahinterstecken kann und wie Personalverantwortliche jetzt die Weichen klug stellen, weiß Emine Yilmaz, Managing Director bei Robert Half.

Ghosting durch Bewerber: Keine Absage ist auch eine Absage

Diese Erfahrung haben schon einige Personalverantwortliche gemacht: Ein Bewerber oder eine Bewerberin antwortet nicht mehr auf Mails – oder schlimmer, erscheint nicht zum eigens anberaumten Vorstellungsgespräch. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit Online-Dating bekannt wurde, passt tatsächlich auch hier: Ghosting. Nach einem ersten Kennenlernen meldet sich das Gegenüber einfach nicht mehr, bricht den Kontakt wortlos ab – und löst sich quasi wie ein Geist in Luft auf.

Aber wie kann es sein, dass vielversprechende Bewerbende plötzlich wie vom Erdboden verschwunden sind, obwohl sie doch so interessiert schienen? Eine naheliegende Erklärung: Dem Kandidaten oder der Kandidatin lag ein weiteres, attraktiveres Jobangebot vor. Manchmal geben dabei bekanntlich nur marginale Unterschiede den Ausschlag, beispielsweise ein etwas höheres Gehalt, ein besonderes Benefit, ein Home-Office- oder Urlaubstag mehr.

Eine weitere Möglichkeit: Der Bewerber hält das Unternehmen hin. Vielleicht kommt es zwar grundsätzlich infrage. Der absolute Wunsch-Arbeitgeber ist allerdings ein anderer – und dessen Antwort steht aktuell noch aus.

Ebenso könnte es sich um ein mittlerweile erlerntes Verhalten handeln. Schließlich haben viele Jobsuchende es selbst schon öfter erlebt, dass ihre Bewerbung, in die sie Zeit und Mühe investiert haben, ohne Rückmeldung im Sande verläuft. Und vielleicht steckt gerade bei jüngeren Bewerbenden auch noch ein Stück Unerfahrenheit im professionellen Umgang dahinter.

Ärgerlich ist es auf jeden Fall, wenn Personalverantwortliche nicht die Möglichkeit bekommen, die Gründe auszuloten, aus denen sie keine Antwort mehr erhalten. Eine Botschaft ist jedoch in jedem Fall sicher: Bei diesem Kandidaten oder dieser Kandidatin steht das Unternehmen aktuell nicht an oberster Stelle der Arbeitgeber-Wunschliste.

Sollte man Bewerber anschreiben, ob noch Interesse besteht?

„Wenn der Bewerber uns noch nicht mal antwortet, laufen wir ihm auch nicht hinterher“ – das ist als erster Impuls nur zu verständlich, gefolgt von: „Wenn ich mich damals so verhalten hätte, hätte ich hier sicher keinen Job bekommen“. Sicher hat die Generation Z heute höhere Ansprüche an ihre Arbeitgeber, als das noch vor ein paar Jahren vorstellbar war. Sich aber auf eine Einladung oder ein konkretes Jobangebot nicht zurückzumelden, ist erst einmal unhöflich – da sind Unerfahrenheit oder schlechte Erfahrungen mit der Rückmelde-Kultur anderer Arbeitgeber eigentlich keine Entschuldigung.

Personalverantwortliche sollten dem Kandidaten oder der Kandidatin zu verstehen geben, dass sie die Unprofessionalität durchaus bemerken, dabei aber souverän bleiben. Sie können zum Beispiel nach einer Weile eine kurze, freundliche Nachricht senden. Inhalt: Das Unternehmen bedankt sich für das Interesse an einer Mitarbeit, geht aber davon aus, dass dieses aktuell nicht mehr besteht. Sollte es anders sein, möge sich der Bewerber oder die Bewerberin zeitnah melden.

So eine Mail kostet nicht viel Zeit, setzt aber einen wirksamen Schlusspunkt. Zudem kann sie das Unternehmen auch im Spiel halten, falls der Kandidat doch nur taktiert. Oder – auch das ist ja möglich – gerade privat viel um die Ohren hatte und es nicht geschafft hat, regelmäßig die Mails abzurufen.

Kaum rechtliche Handhabe gegen Ghosting durch Bewerber

Der Frust über das Bewerber-Ghosting ist verständlich, schließlich hat HR Zeit und Aufwand investiert, um eine Auswahl zu treffen – und andere Bewerbende ausgeschlossen, die grundsätzlich auch geeignet gewesen wäre. Nun gilt es zu hoffen, dass die „zweite Wahl “ überhaupt noch zur Verfügung steht.

Auf juristischem Weg können Arbeitgeber wenig ausrichten, wenn ein potenzielles neues Teammitglied auf Kommunikationsversuche nicht reagiert. Auch Vertragsstrafen greifen erst, wenn ein Arbeitsvertrag unterschrieben ist und die Stelle dann doch nicht angetreten wird. Um daneben Schadenersatzansprüche durchsetzen zu können, müssten Unternehmen zudem konkret belegen, dass bestimmte Mehraufwände direkt durch den Nichtantritt der neueingestellten Person entstanden sind, etwa für Überstunden anderer Teammitglieder.

Begehrte Fachkräfte schnell vom Markt angeln

Besser also, wenn Personalverantwortliche vorbereitet sind. Sie können Ghosting im Bewerbungsprozess zwar nicht komplett vermeiden, aber sehr gut vorbeugende Maßnahmen treffen: 

  • Recruiting-Prozess optimieren und beschleunigen. Zum Beispiel, indem Arbeitgeber die vielversprechendsten Bewerbenden sofort zum Gespräch einladen. So wird die Konkurrenz gleich ausgebremst.
  • Bewerbende selbst respektvoll behandeln. Auch Personalverantwortliche sollten nicht zum „Geist“ werden und auf alle Bewerbungen antworten – so viel professioneller Umgang sollte selbstverständlich sein. Läuft es anders, findet diese Info schnell einen Weg in die Bewertungsportale und spiegelt sich möglicherweise im Verhalten künftiger Kandidat*innen.
  • Alle Kommunikationswege bedenken. E-Mail-Adresse, Festnetz- und Handynummer sind angegeben? Dann sollten Arbeitgeber auf jedem Weg mindestens einmal Kontakt suchen – nicht nur per Anruf, sondern auch per Textnachricht.
  • Wenn nötig, eine Schippe drauflegen. Eine Bewerberin ist die Idealbesetzung – aber scheint zu zögern? Entweder pokert sie extrem gut oder ist wirklich umworben. In diesem Fall kann es helfen, das Angebot direkt zu verbessern: Die Aussicht auf eine frühe Beförderung, mehr Gehalt oder bestimmte Benefits könnten das Zünglein an der Waage sein.
  • Nägel mit Köpfen machen. Bietet der Arbeitgeber den Job an, sollte direkt ein Terminvorschlag noch für dieselbe Woche folgen, um alles Weitere zu besprechen. So hat das neue Teammitglied früh Klarheit und kann planen – und das Unternehmen ebenso.  

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