Anregendes, motivierendes Arbeitsumfeld oder Konzentrations- und Produktivitätskiller: Über das Für und Wider von Großraumbüros wird wohl seit ihrer Erfindung vor rund 100 Jahren gestritten. Laut, hektisch und unruhig sind typische Kritikpunkte. Seit der Corona-Pandemie ist ein weiterer hinzugekommen: das hohe Infektionsrisiko. Unternehmen müssen sich fragen, ob es nicht Zeit für ein neues, moderneres Bürokonzept ist.

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Open-Space – vom Trend zum überholten Bürokonzept

Im Zuge von New Work wurden Open-Space-Flächen für viele zum Inbegriff eines modernen Bürokonzepts: Im offenen Raum ohne Wände als Barrieren werden Kommunikation und Agilität der Mitarbeiter gefördert. Statt flächenintensiver Besprechungsräume lassen sich kleinere Meetingzonen einrichten. Und auch aus repräsentativer Sicht ließ sich mit einem weitläufigen Open-Space-Büro durchaus eine Wirkung erzielen.

Doch dann kam Corona – und veränderte die Arbeitswelt nachhaltig. Ob nun Open-Space oder klassisches Großraumbüro: Die Erkenntnis, dass sich Infektionskrankheiten in solchen Räumen leichter verbreiten, ist zwar nicht neu. Sie rückte aber durch das Virus verstärkt in den Fokus. Angestellte zogen ins Home-Office um und in vielen Fällen werden sie auch weiterhin zumindest teilweise remote arbeiten. Hybrides Arbeiten wird laut einer aktuellen Studie von Robert Half für 89 % der deutschen Geschäftsführer die Zukunft sein. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie sie jetzt mit großen Büroflächen verfahren.

  • Ist es sinnvoll, mithilfe zusätzlicher Wände wieder vermehrt auf Klein- oder sogar Einzelbüros zu setzen, auch wenn diese in der Summe mehr Fläche pro Mitarbeiter verbrauchen?
  • Können vielleicht sogar nicht mehr benötigte Flächen abgestoßen werden, weil ein Teil der Belegschaft dauerhaft remote oder hybrid arbeitet?
  • Oder treibt man die Kostensenkung noch weiter, indem man flächendeckend auf dezentrales Arbeiten setzt, nachdem Home-Office nun ohnehin erfolgreich eingeführt wurde?

Sven Hennige, Deutschland-Chef bei Robert Half, spricht im Interview mit dem FINANCE Magazin darüber, wie sich die Zusammenarbeit im Team durch Corona verändert hat:

Bedürfnisse der Mitarbeiter beachten

Universell lassen sich diese Fragen sicherlich nicht beantworten, letztlich muss jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden. Wichtig ist dabei, auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter im Blick zu behalten. Sie müssen sich wohl und sicher fühlen, damit sie produktiv arbeiten.

Nicht jeder von ihnen wird mit Home-Office dauerhaft glücklich. Viele brauchen den unmittelbaren, persönlichen Kontakt zu ihren Kollegen. Diverse Umfragen zeigen, dass viele Arbeitnehmer während der Pandemie das soziale Miteinander im Büro vermisst haben. Für manche ist der Arbeitsplatz der Ort, an dem sie Anschluss finden, andere sehen ihn als willkommenen Ausgleich zum Familienleben daheim. Und nicht jeder hat im Home-Office optimale Arbeitsbedingungen.

Andererseits kommt die Kritik am Großraumbüro nicht von ungefähr: Lärmbelastung und fehlende Privatsphäre sind nicht von der Hand zu weisen. Studien belegen, dass Angestellte in Großraumbüros häufiger krank und insgesamt unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen sind. Viele Arbeitnehmer haben während der Corona-Pandemie festgestellt, dass sie am heimischen Schreib- oder Küchentisch deutlich konzentrierter arbeiten können als im lauten Großraumbüro.

Rückkehr zum Einzelbüro als Option?

Also doch eine Rückkehr zum Einzelbüro, das bisher vielfach als überholtes Statussymbol galt? Aus infektiologischer Sicht wäre das sicherlich eine sinnvolle Maßnahme. Anzunehmen, dass in Einzel- oder Zweierbüros automatisch konzentrierter und effizienter gearbeitet wird, ist allerdings ein Trugschluss. Die Abgeschiedenheit eines Einzelbüros kann geradezu dazu einladen, unproduktiv zu sein. Denn mit der lärmenden Betriebsamkeit des Großraumbüros bleibt auch der Effekt, den produktive Kollegen auf die eigene Motivation und Disziplin haben, vor der Tür.

Und auch sonst spricht mehr gegen als für die Rückkehr zum Einzel- oder Kleinbüro. Die Kosten sind hoch: Neben erheblichen baulichen Maßnahmen ist mehr Fläche pro Mitarbeiter erforderlich. Zudem werden wichtige Faktoren für eine moderne, befriedigende Arbeitsumgebung ausgebremst, allen voran Kommunikation und Zusammengehörigkeitsgefühl.

Hinzu kommt: Viele Angestellte möchten gar kein Einzel- oder Zweierbüro – so sehr sie auch über das laute, mitunter müffelnde Großraumbüro klagen.

Arbeitsplätze müssen zu den Aufgaben passen

Wie also das Dilemma lösen? Im Idealfall bieten Sie Ihren Mitarbeitern für alle anfallenden Aufgaben passende Arbeitsplatzformen an. Ein solches modernes Bürokonzept beinhaltet verschiedene Räumlichkeiten, die sich am individuellen Bedarf des Unternehmens orientieren, beispielsweise

  • Rückzugsräume für konzentriertes, störungsfreies Arbeiten,
  • spezielle Räume zum Telefonieren und für Videocalls mit entsprechender technischer Ausstattung,
  • mittelgroße Büros für Kollegen, die sich stetig direkt austauschen müssen,
  • Räumlichkeiten für Publikumsverkehr,
  • kleine Meetingräume für interne Besprechungen.

Mit Open-Space-Büros wurde zum Teil schon ein Schritt in diese Richtung gegangen, indem verschiedene Zonen eingerichtet wurden. Dies aber häufig nicht konsequent genug, sodass es letztendlich doch ein Großraumbüro blieb – im schlechtesten Fall sogar mit höherer Lärmbelastung als beim klassischen Modell.

Sogenannte Multi-Space-Arbeitsumgebungen setzen dies konsequenter mit getrennten, bedarfsorientierten Räumlichkeiten um. Damit ein solches Konzept gelingen kann, ist es wichtig, zunächst zu evaluieren, welche Tätigkeiten anfallen, wie die idealen Räumlichkeiten dafür aussehen und auch, welche Wünsche Ihre Mitarbeiter haben.

Das Büro der Zukunft wird auf jeden Fall ein anderes sein

Die Corona-Pandemie hat den stetigen Wandel der Arbeitswelt in vielen Bereichen beschleunigt. Hybrides Arbeiten, also sowohl vor Ort als auch remote, wird langfristig Usus bleiben. Das hat Auswirkungen auf die Bürogestaltung. Wenn – zumindest in Teilen – dezentral gearbeitet wird, gewinnt das Büro als Ort der Begegnung an Bedeutung. Ein fester Arbeitsplatz für jeden Mitarbeiter dürfte hingegen in vielen Unternehmen künftig nicht mehr Standard sein. Das bietet Möglichkeiten für innovative Lösungen: Durch eine Umstrukturierung können Unternehmen Flächen für neue, aufgabenorientierte Räumlichkeiten schaffen.

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Bildquelle: © Israel Andrade - unsplash.com