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Eine Kündigung durch Mitarbeitende zeigt, dass im Unternehmen etwas nicht in Ordnung ist. Das wiegt besonders schwer, wenn sich Leistungsträger*innen verabschieden wollen. Bevor es dazu kommt und die Kündigung auf dem Tisch liegt, sollten Personalverantwortliche ein Bleibegespräch führen.

Darum lohnt sich ein Bleibegespräch

Wenn gute Mitarbeiter kündigen, kann das für Unternehmen ein harter Schlag sein, denn neue Leistungsträger*innen sind wegen des Fachkräftemangels schwer zu bekommen. Deshalb sollten Management und Personalverantwortliche nach Möglichkeit personelle Abgänge vermeiden. Damit verhindern sie unter anderem, dass

  • bewährte Abläufe sich ändern.
  • Expertise abwandert.
  • Kundenkontakte verloren gehen.
  • kreative Impulse ausbleiben.
  • weitere Mitarbeiter kündigen.
  • die Produktivität wegen der Einarbeitungen der nachfolgenden Kraft eingeschränkt ist.

Außerdem könnte unter einer Trennung – je nach Ursachen und Umständen – das Image als guter Arbeitgeber leiden, was die weitere Rekrutierung zusätzlich erschwert. Deshalb ist es so wichtig, Leistungsträger*innen und gute Mitarbeiter*innen zu halten. Das gelingt allerdings nur, wenn Sie die Abwanderungstendenzen früh erkennen. Also schon bevor die Kündigung auf Ihrem Tisch liegt. Machen Sie bei jemandem entsprechende Anzeichen aus, sollten Sie schnell gegensteuern. Das kann beispielsweise gelingen, wenn Sie mit der wechselwilligen Person ein Bleibegespräch, auch Stay-Interview genannt, führen.

Darin geht es vor allem darum,

  • ob sich Ihr Verdacht auf Kündigung bestätigt.
  • ob sich die betreffende Person noch umstimmen lässt.
  • welche Bedingungen zum Bleiben erforderlich und für beide Seiten vorteilhaft sind.

Bleibegespräch vorbereiten

Wenn Sie eine innere Kündigung erkennen, ist die entscheidende Frage: Sollten Sie die Person überhaupt im Unternehmen halten? Oder anders ausgedrückt: Ist sie objektiv betrachtet tatsächlich unverzichtbar? Dafür müssen Sie sich von emotionalen Einflüssen frei machen. Faktoren wie persönliche Sympathien oder eine gewisse Verbundenheit wegen einer langen Betriebszugehörigkeit können eine sachliche Entscheidung beeinträchtigen. Deshalb wägen Sie ab, ob die Kündigung Ihnen mehr Vorteile als Nachteile bieten würde. Schließlich kann in manchen Fällen eine Neubesetzung der Position frische Tatkraft ins Unternehmen bringen.

Möchten Sie aber nach reiflicher Überlegung gute Mitarbeitende halten, sollten Sie nach den möglichen Gründen für die Kündigung forschen. Wichtig: Abgesehen von persönlichen Motiven der Wechselwilligen könnte auch Ihr eigener Führungsstil oder der in Ihrem Unternehmen einen Anteil haben. Deshalb sollten Sie kritisch gegenüber sich selbst sein. Wenn gute Mitarbeitende kündigen, liegt das oft am Verhalten der Vorgesetzten. Typische Führungsfehler sind beispielsweise:

  • geringe Wertschätzung
  • keine Karriereoptionen
  • mangelndes Lob bzw. Feedback
  • gebrochene Versprechen
  • unterdurchschnittliches Gehalt
  • unflexible Arbeitszeiten
  • fehlende geldwerte Vorteile
  • kaum Interesse für die beruflichen und persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden

Vermuten Sie diese und ähnliche mögliche Ursachen, sollten Sie klären, inwieweit Sie daran etwas ändern können und wollen. Stellen Sie hingegen keine eigenen Versäumnisse fest, dürfte es andere, vielleicht private Motive für die Kündigung geben. Um die herauszufinden, versuchen Sie, sich in die Situation der Mitarbeitenden zu versetzen. Kommen Sie dabei zu keinem Ergebnis, sollten Sie Gründe für die Kündigungsabsicht im Bleibegespäch klären.

Die Einladung dazu sprechen Sie am besten persönlich und in einer vertraulichen Situation aus. Bitten Sie zum Beispiel um ein persönliches Gespräch. Den formellen Begriff Personalgespräch sollten Sie vermeiden. Auch den Ausdruck Bleibegespräch bringen Sie besser nicht ins Spiel. Reden Sie stattdessen von einem allgemeinen Austausch unter vier Augen über die berufliche Situation der betreffenden Person. Die sieht dann Ihren Wunsch zum Dialog im besten Fall als Chance, Missstände am Arbeitsplatz und eventuell vorhandene Kündigungsgründe anzusprechen. Und genau darum geht es dabei.

Rechnen Sie damit, dass das Bleibegespräch einen schlecht vorhersehbaren Verlauf nehmen und eine Weile dauern kann. Legen Sie den Termin so, dass er ungestört, ohne zeitlichen Druck und in diskreter Atmosphäre abläuft.

Einstieg in das Bleibegespräch

Erklären Sie zunächst den Anlass für das Gespräch. Schließlich ahnt Ihr Gegenüber noch nicht unbedingt, dass es jetzt mit Ihnen in einem Stay-Interview sitzt. Am besten beginnen Sie mit einer Ich- oder Wir-Aussage. Dazu zwei Beispiele:

  • „Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass Sie unzufrieden im Job sind und sich zurückziehen. Ist das richtig? Und wenn ja, warum?”
  • „Wir stehen mit unserem Unternehmen vor großen Herausforderungen und Change-Prozessen. Machen Sie sich deshalb Sorgen um Ihren Arbeitsplatz und Ihre weitere Karriere bei uns?”

Fügen Sie an, dass Sie derartige Bedenken sehr bedauern und gern ausräumen würden, da Ihnen viel an dem*der Mitarbeiter*in liege. Hören Sie anschließend konzentriert zu und unterbrechen Sie die Antwort höchstens durch Verständnisfragen.

Mögliche Reaktionen Ihres Gegenübers

Ihre einführenden Worte können unterschiedliche Reaktionen auslösen. Häufig kommt es zu folgenden vier Effekten:

  • Ihr Gegenüber versichert, dass Ihre Vermutung falsch ist. Wirkt das auf Sie überzeugend, dann hat sich der Anlass für das Bleibegespräch erübrigt. Dennoch sollten Sie die Gelegenheit wahrnehmen und über mögliche Verbesserungsmöglichkeiten am jeweiligen Arbeitsplatz sprechen. So können Sie ggf. nicht nur die Produktivität steigern, sondern durch Ihr offenkundiges Interesse auch die Mitarbeiterbindung festigen. In jedem Fall sollten Sie Ihre Wertschätzung des*der Mitarbeitenden betonen und Offenheit für weitere Gespräche signalisieren.
  • Ihr Gegenüber versichert, dass Ihre Vermutung falsch ist, doch Sie sind unsicher, ob das stimmt. Wenn gute Mitarbeiter kündigen wollen, dann weichen Sie nämlich ihren aktuellen Führungskräften bei solchen Fragen oft aus. Und zwar vor allem dann, wenn sie noch keine neue Stelle haben. In derartigen Zweifelsfällen tun Sie als Vorgesetzte*r so, als würden Sie der Aussage glauben. Unterstreichen Sie, wie wichtig Ihnen die Mitarbeit der betreffenden Kraft ist. Fragen Sie dann, ob es nicht doch potenzielle Verbesserungswünsche gebe, die sich umsetzen ließen. Möglicherweise lässt sich dann ein geplanter Jobwechsel noch verhindern.
  • Ihr Gegenüber räumt ein, dass es eine Kündigung erwägt. Dann bedanken Sie sich für die Offenheit, fragen nach den Gründen für den Wechselwunsch und ob Sie etwas tun können, um Ihre*n Mitarbeiter*in umzustimmen. Nehmen Sie Antworten gewissenhaft auf und besprechen Sie anschließend, was sich ändern ließe.
  • Ihr Gegenüber räumt ein, dass es zur Kündigung entschlossen ist. In dem Fall gehen Sie grundsätzlich wie zuvor beschrieben vor. Allerdings sind Ihre Erfolgsaussichten hier geringer. Trotzdem sollten Sie die Chance nutzen, obwohl Sie sich unter Umständen auf viel Kritik – auch an Ihrer eigenen Person – einstellen müssen. Dabei kann es sehr emotional werden. Warten Sie dann ab, bis der*die Mitarbeitende seinem*ihrem Ärger Luft gemacht hat. Bringen Sie anschließend Ruhe in das Stay-Interview und heben Sie erneut hervor, dass Ihnen viel an der Arbeitskraft liegt. Haken Sie erneut nach, unter welchen Voraussetzungen ein Verbleiben im Unternehmen vielleicht doch denkbar wäre.

Nach dem Bleibegespräch

In jedem Fall sollten Sie sich für die Teilnahme am Bleibegespräch bedanken. Am besten vereinbaren Sie – je nach Ausgang des Stay-Interviews – einen Folgetermin. Dafür brauchen Sie noch kein konkretes Datum festzulegen, denn in der Regel müssen Sie erst die notierten Ergebnisse des Dialogs mit anderen Kolleg*innen beziehungsweise Abteilungen besprechen und daraus Konsequenzen ableiten. Prüfen Sie dabei, wie weit Sie gehen können und möchten, um eine drohende Kündigung abzuwehren.

Gelingt das nicht, ist es letztlich sinnvoll, sich zu trennen und die Stelle neu zu besetzen. Dafür bieten wir Ihnen gern unsere Unterstützung an.

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Bildquelle: © Alex Green - Pexels.com


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