Sie oder Du? Diese Frage lässt Sprachschüler in Deutschkursen regelmäßig ratlos zurück. Aber auch für Muttersprachler ist die richtige Anrede manchmal eine Herausforderung. Das gilt vor allem im Job, denn hier kann eine falsche Anrede nicht nur peinlich, sondern ein echtes Fettnäpfchen sein. Und längst nicht immer ist eindeutig, ob Duzen oder Siezen angesagt ist.

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Im Büro duzen, das war vor gar nicht allzu langer Zeit noch absolut undenkbar. Heute wird im Berufsleben teilweise schon geduzt, bevor man sich überhaupt persönlich kennengelernt hat – nämlich bereits in der Stellenanzeige. Nicht selten werden Bewerber beim Vorstellungsgespräch dann aber mit einem freundlichen, aber förmlichen “Schön, dass Sie da sind!” begrüßt. Ziemlich verwirrend, die ganze Angelegenheit.

Du oder Sie – eine Frage der Unternehmenskultur

Fakt ist: Das Du im Job ist in Deutschland immer weiter verbreitet. In vielen Unternehmen wird mittlerweile sogar über alle Hierarchieebenen geduzt. Und zwar längst nicht mehr nur in jungen, hippen Start-ups, sondern auch in alteingesessenen Traditionsunternehmen. Prominentes Beispiel: Der Otto-Konzern, dessen Vorstandsvorsitzender Hans-Otto Schrader 2016 allen Mitarbeitern das Du angeboten hat. Trotzdem setzt die Mehrzahl der Unternehmen immer noch auf eine förmliche Ansprache.

Du oder Sie ist letzten Endes also immer eine Frage der Unternehmenskultur. Wenn die Hierarchien flach sind und ein lockerer Umgang miteinander gepflegt wird, ist es nur konsequent, dass sich das auch in der Anrede widerspiegelt. Und auch die Branche spielt eine Rolle: Im kreativen Bereich ist das Du Standard, in der Finanzbranche hingegen noch die Ausnahme. Und manchmal wird das Du auch ganz bewusst eingeführt, etwa um den Zusammenhalt zu stärken oder einen Wandel der Firmenkultur zu unterstreichen.

“Herr Müller, kannst du mal …”: Vor- und Nachteile von Duzen und Siezen im Job

Aber das passt einfach nicht zu jedem Unternehmen. Nicht ohne Grund ist im beruflichen Umfeld das Sie zumindest derzeit noch Standard.  Und auch wenn die förmliche Anrede uns manchmal steif und sperrig erscheint, hat sie durchaus Ihre Vorteile, gerade im Job. Denn im Geschäftsleben hat gegenseitiger Respekt einen hohen Stellenwert. Und der wird durch das Sie oft schon automatisch signalisiert. Wobei man natürlich auch beleidigend siezen und respektvoll duzen kann. Die Vor- und Nachteile der beiden Anreden im Überblick:

Vorteile beim Sie:

  • Schafft höfliche Distanz und zeigt Respekt.
  • Kann bei Konflikten, Bewertungen und anderen schwierigen Gesprächen hilfreich sein.
  • Erschwert unangemessene Vertrautheit und Grenzüberschreitungen.

Nachteile beim Sie:

  • Kann altmodisch und überholt wirken.
  • Wenn miteinander vertraute Kollegen untereinander zum Du übergehen, kann es in Gegenwart von anderen Kollegen oder Vorgesetzten kompliziert werden.
  • Es kann hierarchische Strukturen verstärken und für Machtspiele genutzt werden, wenn nur in bestimmten Fällen geduzt wird.

Vorteile beim Du:

  • Schafft Zusammengehörigkeitsgefühl.
  • Neue Mitarbeiter fühlen sich schneller integriert.
  • Fördert eine offene Kommunikationskultur.
  • Baut Hemmschwellen zwischen Hierarchieebenen ab und kann dadurch eine offene, freundliche Unternehmenskultur fördern.

Nachteile beim Du:

  • Es kann eine Vertraulichkeit und Nähe suggerieren, die nicht gegeben ist. Sie sind immer noch bei der Arbeit, nicht im Freundeskreis.
  • Dadurch steigt das Risiko, sich bei Konflikten im Ton zu vergreifen und die professionelle Distanz zu vergessen.

Weniger kompliziert, als es wirkt: Diese Regeln gelten bei der Anrede am Arbeitsplatz

Von der Dame am Empfang wurden Sie gesiezt. Die Kollegen auf dem Flur waren beim Du. Ihre neue Vorgesetzte wird Ihnen als Frau Schmidt vorgestellt, aber von allen anderen Maria genannt. Wer neu in ein Unternehmen kommt, hat es nicht leicht. Manchmal reicht sogar schon ein interner Abteilungswechsel aus, um nicht mehr zu wissen, ob Du oder Sie am Arbeitsplatz angebracht ist.

Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwierig mit der richtigen Anrede. Grundsätzlich gilt: Mit Siezen sind Sie erst einmal auf der sicheren Seite. Wenn im Unternehmen grundsätzlich geduzt wird, wird Ihnen das in der Regel direkt mitgeteilt, etwa im Rahmen des Onboardings. Etwas komplizierter wird’s, wenn es keine offizielle Regelung gibt und beide Anreden verwendet werden. Wenn sich die neuen Kollegen nur mit Vornamen vorstellen und Sie duzen, dürfen Sie das im Gegenzug auch. Sie sollten aber nicht automatisch davon ausgehen, dass das dann auch für den Vorgesetzten gilt. Hier gilt: im Zweifelsfall “Sie”.

Sofern es keine offizielle Ansage im Unternehmen gibt, folgt die Verwendung von Du oder Sie diesen Regeln:

  • Ranghöhere bieten das Du an: Ganz klare Sache, egal wie flach die Hierarchie ist. Als Führungskraft über “Du” oder “Sie” einzelne Teammitglieder gegenüber den anderen Kollegen hervorzuheben, ist allerdings höchst unprofessionell und sorgt für Missgunst. Wenn Sie als Vorgesetzter das Du anbieten, dann Ihrem gesamten Team.
  • Dienstjahre zählen: Unter Kollegen auf gleicher Ebene sieht der Büro-Knigge vor, dass derjenige, der länger im Betrieb ist, den Vorschlag macht.
  • Das Du gilt in beide Richtungen: Wen Sie duzen, der darf auch zu Ihnen du sagen. Alles andere wäre überheblich. Das wird vor allem im Umgang mit Praktikanten oder Azubis gerne mal vergessen. 

Ein Du für die Ewigkeit: Muss man das Du annehmen? Darf man zurück zum Sie?

Grundsätzlich gilt: Ist das Du erst einmal etabliert, lässt es sich nicht ohne Weiteres zurücknehmen. Es käme zumindest einem kleinen Affront gleich, nach längerer Zeit per Du plötzlich darauf zu bestehen, gesiezt zu werden. Etwa nach einer Meinungsverschiedenheit oder einem schlechten Feedback. Das sollten Sie im Hinterkopf behalten, wenn Ihnen im Beruf das Du angeboten wird. 

In manchen Fällen ist der Schritt vom Duzen zurück zum Siezen aber vergleichsweise problemlos möglich und manchmal auch sinnvoll. Der Klassiker: In ausgelassener Feierlaune waren Sie auf dem Betriebsfest plötzlich per Du mit Ihrem Vorgesetzten. Wenn Sie unsicher sind, ob das Du ein ernsthaftes Angebot oder nur der gelösten Stimmung geschuldet war, kehren Sie bei der nächsten Begegnung im Unternehmen lieber zum Sie zurück. Sollte das Du ein Resultat von zu viel Alkohol gewesen sein, ersparen Sie allen Beteiligten eine peinliche Situation. Möchte der Chef Ihnen tatsächlich das Du anbieten, wird er sein Angebot wiederholen. 

Auch wenn Sie ein angebotenes Du angenommen haben, aber direkt merken, dass es sich irgendwie doch falsch anfühlt, ist die Tür zurück zum Sie noch offen. Erklären Sie dem Anbietenden, dass Sie sich geehrt fühlen, aber Ihnen die neue Anrede doch schwerer fällt als angenommen, und schlagen Sie höflich vor, doch lieber beim Sie zu bleiben. Zu viel Zeit sollten Sie sich dafür aber nicht lassen, im Idealfall klären Sie die Angelegenheit umgehend, spätestens aber beim nächsten persönlichen Zusammentreffen.

Sofern Sie nicht in einem Unternehmen mit angeordneter Duz-Kultur arbeiten, dürfen Sie ein angebotenes Du ausschlagen, wenn Sie sich damit nicht wohlfühlen. Dabei sollten Sie allerdings mit Fingerspitzengefühl vorgehen, damit sich der andere nicht vor den Kopf gestoßen oder zurückgewiesen fühlt. Machen Sie auf jeden Fall klar, dass es nichts mit der Persönlichkeit des Anbietenden zu tun hat. Erklären Sie stattdessen lieber, dass Sie sich grundsätzlich mit dem Duzen im Job schwertun. 

Handschlag statt High-Five? Manchmal passt die Unternehmenskultur des Arbeitgebers einfach nicht zu den eigenen Vorstellungen. Wir finden einen Job für Sie, in dem alles stimmt und Sie glücklicher arbeiten.

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